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Mündliche Verhandlung im Musterverfahren nach KapMuG gegen DaimlerChrysler AG

(22.12.2006) Am Mittwoch, den 20.12.2006, hat Rotter Rechtsanwälte vor dem OLG Stuttgart die Interessen von annähernd 100 Klägern in der ersten mündlichen Verhandlung überhaupt in einem Kapitalanleger-Musterverfahren vertreten. Die gesetzliche Grundlage für ein solches Musterverfahren wurde erst am 1. November 2005 mit dem (vorläufig auf fünf Jahre befristeten) Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) neu geschaffen.

DaimlerChrysler wird in diesem Verfahren vorgeworfen, das vorzeitige Ausscheiden des früheren Vorstandsvorsitzenden Prof. Jürgen Schrempp (zum Jahresende 2005) zu spät veröffentlicht zu haben. Dessen Vertrag wäre noch bis Ende 2008 gelaufen. Das vorzeitige Ausscheiden von Schrempp und die Berufung seines Nachfolgers Zetsche waren am 28. Juli 2005 um 10.32 Uhr in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben worden. Daraufhin waren die Aktien von DaimlerChrysler um zeitweise über 10% gestiegen und hatten mit 40,40 EUR geschlossen.

Der von Rotter vertretene Musterkläger hat am 28. Juli 2005 um 9:00 Uhr 800 Aktien zum Kurswert von 36,50 EUR veräußert. Dadurch hat er weniger erlöst, als nach der Ad-hoc-Mitteilung zu erzielen gewesen wäre. Dasselbe gilt für die weiteren von Rotter vertretenen Kläger, die sämtlich im Zeitraum zwischen Mai 2005 und der Meldung vom 28. Juli 2005 Daimler Aktien veräußert und damit zum Teil erhebliche Verluste – in Relation zu einem hypothetischen Verkauf nach der Meldung – erlitten haben.

Bereits seit Mai 2005 wusste ein stetig größer werdender Kreis von Aufsichtsratsmitgliedern und Managern bei DaimlerChrysler von den Rückzugsabsichten Schrempps, von denen die Aktionäre zeitnah hätten informiert werden müssen.

Der Aufsichtsratsbeschluss stellte allenfalls eine formale Bestätigung dieser schon deutlich früher feststehenden Absicht Schrempps dar, so dass es auf ihn für die Frage der Ad hoc- Publizitätspflicht gerade nicht ankommt.

Die mündliche Verhandlung am Mittwoch lieferte keine wesentlichen neuen Erkenntnisse, insbeondere beharrten die Prozesbevollmächtigten und Vertreter von DaimlerChrysler erwartungsgemäß auf ihren Standpunkten.

Auch gab das OLG gab nicht zu erkennen, ob es sich bereits eine Rechtsauffassung zu den diversen ungeklärten Rechtsfragen gebildet hat, und in welche Richtung es insoweit tendiert. Der Vorsitzende Richter Claudio Stehle will über die insgesamt 11 Streitpunkte, die dem OLG vom Landgericht Stuttgart Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt wurden, jedoch zeitlich abgeschichtet entscheiden.

Bereits am 15. Februar 2007 wird deshalb die Grundsatzfrage beantwortet werden, wann der Wechsel an der Spitze von DaimlerChrysler so konkret gewesen ist, dass eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung hätte erfolgen müssen.

In dem bundesweit ersten Verfahren nach KapMuG soll das OLG anhand einer Einzelklage eine Grundsatzentscheidung treffen, die dann auch für die anderen Klagen wegweisend ist.

Dem LG Stuttgart liegen eine Vielzahl vergleichbarer Schadenersatzklagen vor, unter denen sich nicht nur Privatanleger, sondern auch institutionelle Anleger befinden. Der Streitwert beläuft sich insgesamt auf mehrere Mio EUR.

Bis auf die Musterklage sind alle Verfahren ausgesetzt. Über die eventuelle Höhe des Schadenersatzes in den Einzelverfahren wird erst nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens – gegen die Musterentscheidung des OLG kann Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt werden – wieder das LG Stuttgart entscheiden.

Bis zum Eintritt der Verjährung können auch noch weitere Klagen eingereicht werden.

Ansprechpartner: Rechtsanwalt Klaus Rotter (+49 89 64 98 45-0; rotter@rrlaw.de)