Navigation

Landgericht Tübingen bejaht Aufklärungspflicht bei Margen – Zertifikat zudem unfaire Wette

In einem von ROTTER RECHTSANWÄLTE vor dem Landgericht Tübingen erstrittenen Urteil (21.05.2010, Az.: 2 O 317/09) bejaht das Gericht eine Pflicht der Bank zur Aufklärung über Margen.

Derzeit wird in der Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert, ob eine Bank über die mit einem Wertpapiergeschäft generierten Margen im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages aufklären muss. Während etwa das Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 30.09.2009 (Az.: 3 U 45/09) im Rahmen von Swap-Verträgen eine Aufklärungspflicht über Margen verneint hat, vertritt in der Literatur insbesondere Buck-Heeb die Auffassung, dass der Beratungsvertrag zur entsprechenden Aufklärung verpflichte (Buck-Heeb in BKR 1/2010, S. 1 ff.). Zahlreiche Wertpapierdienstleister nehmen diesen Streit zum Anlass, in Anlegerprozessen die Behauptung aufzustellen, Wertpapiere nur zu Festpreisgeschäften an Anleger verkauft zu haben. Sie hoffen, sich so der Kick-back-Rechtsprechung des BGH entziehen und vereinnahmte Provisionen als Margen, über deren Vereinnahmung nicht aufgeklärt werden müsse, darstellen zu können.

Das Landgericht Tübingen hat sich in dieser von ROTTER RECHTSANWÄLTE erstrittenen Entscheidung nun der Ansicht der Befürworter einer entsprechenden Aufklärungspflicht angeschlossen und festgestellt, dass die Bank auch bei Festpreisgeschäften über die vereinnahmte Marge aufklären müsse, da der Kunde – selbst, wenn er für die Beratungsleistung nichts zu bezahlen hat – nicht zwangsläufig damit rechnen müsse, dass die Bank mit dem empfohlenen Geschäft einen Verkaufsgewinn erzielt und damit an dem Zustandekommen des Wertpapiergeschäftes ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat.

Wir begrüßen diese Entscheidung, da sie nach unserer Auffassung zutreffend an die Dogmatik des Beratungsvertrages anknüpft. Fraglos gehört es hier zu den Pflichten des Beraters, Interessenkonflikte zu vermeiden und ungefragt über solche aufzuklären. Der Anleger kann nur dann eine vernünftige Anlageentscheidung treffen, wenn er die Motive für die Anlageempfehlungen durch die Bank kennt. Für Banken ist die Marge oder Provision häufig das entscheidende Kriterium für eine Empfehlung, für den Anleger jedoch der Erhalt einer zu seinen Anlagezielen und -wünschen passenden Kapitalanlage.

In dem von uns erstrittenen Urteil hat sich das Landgericht Tübingen zudem vertieft mit der Struktur des streitgegenständlichen Zertifikates auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Anleger auf strukturellen Unterschiede der dem Zertifikat zu Grunde gelegenen Basiswerte hinzuweisen war. So hatte der Anleger mit dem Zertifikat darauf gesetzt, dass sich der DAX- und der DivDAX (letzterer bezieht sich auf die 15 dividendenstärksten Werte des DAX) in ihrer Wertentwicklung über die Laufzeit des Zertifikats nicht wesentlich unterscheiden. Der Berater hätte den Anleger dann aber nach Auffassung des Landgerichtes darauf hinweisen müssen, dass dem Zertifikat dabei der DAX als Performance-Index (=Dividenden werden wieder angelegt), der DivDAX jedoch als reiner Kurs-Index (= Dividenden werden abgezogen) zu Grunde gelegt worden war. Aufgrund der statistisch ermittelbaren Wahrscheinlichkeit, dass ein Performance-Index sich im Laufe der Zeit über einen Kurs-Index entwickelt, war nach unserer Auffassung von Anfang an eine aus Sicht des Anlegers unfair hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass sich der Kurs-Index während der Laufzeit des Zertifikats schlechter als der Performance-Index entwickelt und damit die mit dem Zertifikat in Aussicht gestellten Renditen nicht realisierbar sein würden. Dies hätte zwingend eine Aufklärung des Anlegers durch die Bank erfordert, die unterblieb. Der Fall des Landgerichts Tübingen zeigt damit deutlich, dass es sich bei vielen von Banken vertriebenen Zertifikaten vom Grundsatz her um eine unfaire Wette gegen Profis handelt und die bisherige Aufklärungspraxis der Berater dieser Tatsache in keinster Weise gerecht wird.

Ansprechpartner: Rechtsanwalt Bernd Jochem (+49 89 64 98 45-0; jochem@rrlaw.de)