Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht München in Sachen Constantin Medien AG, vormals EM.TV Vermögensverwaltungs AG
Die Frage der Fehlerhaftigkeit der EM.TV- Ad hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 zum sog. Formel 1-Einstieg wird ab 21. September 2012 vor dem Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG München verhandelt werden (OLG München 5 KAP 2/09).
Die 27. Zivilkammer des LG München I hatte bereits am 12. November 2009 einen entsprechenden Vorlagebeschluss an das OLG verfasst, der von letzterem aber rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden war. Auf die Rechtsbeschwerde von Rotter Rechtsanwälten hatte der BGH klargestellt, dass die Aufhebung und Zurückverweisung nicht hätte erfolgen dürfen. Der BGH verwies die Sache an das OLG München zurück, das den Vorlagebeschluss am 2. April 2012 nach § 6 KapMuG im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht hat.
Der Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren wird nun über die Vorlagefrage entscheiden:
Es ist eine Entscheidung des OLG München herbeizuführen zur beantragten Feststellung, dass die adhoc-Mitteilung vom 22.03.2000 unrichtig war und hierdurch gegen die Beklagten zu 1) und 3) Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet werden.
Der Musterkläger macht den Musterbeklagten konkret zum Vorwurf, dass sie in der Ad-hoc- Mitteilung vom 22.03.2000:
- behauptet haben, man befände sich in unverbindlichen Gesprächen über einen Erwerb von weiteren 25% an der Formel 1- Gesellschaft („SLEC“), obwohl diesbezüglich bereits unstreitig eine rechtsverbindliche vertragliche Vereinbarung (Call-Put-Option) getroffen worden war, aus der die Beklagte zu 1) nicht mehr einseitig aussteigen konnte. Hierbei handelt es sich nicht um eine unterlassene Veröffentlichung, sondern um eine rechtswidrige Falschmeldung;
- trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass dem Ecclestone´schen Familien Trust („Bambino Trust“) unstreitig bereits am 17.03.2000 verbindlich eine (von der Beklagten zu 1) im von ihr derzeit gegen die Beklagten zu 2) und 3) geführten Organhaftungsverfahren selbst als „bestandsgefährdend“ bezeichnete) Put-Option dergestalt eingeräumt worden war, dass dieser von der Beklagten zu 1) Anfang des Jahres 2001 einseitig die Abnahme von weiteren 25% an der Formel 1-Holding SLEC gegen Zahlung eines Barkaufpreises in Höhe von USD 996 Mio. erzwingen konnte, was die Beklagte zu 1) nur durch vorherige Ausübung der Call-Option abwenden konnte, die mit einer Zahlungsverpflichtung in nahezu gleicher Höhe verbunden war;
- trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass die Beklagte zu 1) zur Absicherung dieser Put-Option ihre gesamte Formel 1-Beteiligung an den Bambino Trust verpfändet hatte, so dass sie die gesamte Formel 1-Beteiligung verliert, sobald sie den Barkaufpreis in Höhe von USD 996 Mio. nicht bezahlen kann;
- trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass die Beklagte zu 1) liquiditätsmäßig noch für weitere vier Jahre (bis Ende 2004) wirtschaftlich über keinen Cent der aus der Formel 1-Beteiligung erzielten Gewinne würde verfügen können, da sie diese vollständig zur Bedienung einer Anleihe („Formel 1-Bond“) abzuführen hatte; sowie
- trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass schon die Finanzierung des Kaufpreises der ersten 50%igen Formel 1-Beteiligung ebenso wie die Finanzierbarkeit der Existenz gefährdenden Put-Option völlig ungesichert war (so die Beklagte zu 1) selbst im Organhaftungsverfahren).
All diese Informationen fehlten in der Pflichtmitteilung, wären aber nach der Rechtsauffassung des Musterklägers zwingend nach § 15 WpHG a. F. zu veröffentlichen gewesen.
Mit Beschluss vom 15. Mai 2012 wurde nach § 8 KapMuG ein von Rotter Rechtsanwälten vertretener Kläger zum Musterkläger bestimmt und Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21. September 2012 bestimmt.
Ansprechpartner: Rechtsanwalt Bernd Jochem (+49 89 64 98 45-0; jochem@rrlaw.de)