Etikettenschwindel mit Mittelstandsanleihen?
In den drei Jahren, die es am deutschen Anleihemarkt die Mittelstandsanleihen gibt, haben 127 Unternehmen insgesamt 145 Schuldtitel im Volumen von 5,6 Milliarden Euro begeben. Leider wird das Segment aber von vielen Insolvenzen – u.a. Windreich, Getgoods, FFK– beeinträchtigt.
Der Begriff „Mittelstandsanleihe“ wird nach Auffassung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) so zunehmend zum Etikettenschwindel, da der Mittelstand, der als Motor der deutschen Wirtschaft gilt, für Zuverlässigkeit steht– eine Eigenschaft, die sich kaum auf die Mittelstandsanleihen übertragen lässt. Von den rund 127 deutschen Emittenten bewertet Scope heute schon 14 als „Default“. Sie sind also insolvent, bedienen ihre Zinsen nicht oder restrukturieren ihre Anleihen. Diese Unternehmen haben 16 Anleihen über 650 Millionen Euro begeben. Das sind fast 12 Prozent des gesamten Marktvolumens (FAZ vom 28. November 2013, dort S. 17).
Bei Getgoods soll eine Forderung von 100 Euro gegenüber dem Online-Händler an der Börse nur noch 6,45 Euro wert. Die Anleihe hat ein Volumen von 60 Millionen Euro.
Schlecht soll es auch bei 3W Power, einem Spezialisten für Leistungselektronik, aussehen. Vor kurzem platzte eine erste Gläubigerversammlung wegen zu weniger Teilnehmer. Ein neuer Versuch wird am 18. Dezember gestartet. Die Gläubiger sollen dann die Stundung der Zinszahlung von 9,25 Prozent auf die Anleihe über 100 Millionen Euro absegnen.
Das Zwischenergebnis für Anleger in Mittelstandsanleihen ist erschütternd. Allerdings sind die Investoren vorsichtiger geworden und blicken nicht mehr nur auf die hohen Zinsen von teilweise acht Prozent oder mehr. Angesichts der gegenwärtigen Niedrigzinsen müssen sich Anleger fragen, warum ein Unternehmen derart hohe Zinsen auf Anleihen zahlt. Offenbar verlangen die Banken angesichts des Risikos höhere Kreditzinsen.
Spannend wird es in den kommenden Jahren, wenn viele Titel fällig werden. Laut Scope sind es 2014 250 Millionen Euro, darunter eine Anleihe von Air Berlin über 150 Millionen Euro. Der Refinanzierungsbedarf steigt bis zum Jahr 2017 auf 1,6 Milliarden Euro.
Investoren in Mittelstandsanleihen sollten sich beizeiten von einem Spezialisten hinsichtlich Handlungsbedarf und -möglichkeiten beraten lassen. Insbesondere für diejenigen, die ihre Anleihen auf Empfehlung Dritter erworben haben, könnten sich Ansatzpunkte für Schadensersatzansprüche ergeben.
Ansprechpartner: Rechtsanwalt Bernd Jochem (+49 89 64 98 45-0; jochem@rrlaw.de)