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Archiv für 2012

Prüfung von Schadenersatzansprüchen für Kunden der Bank J. Safra SARASIN AG

ROTTER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft prüft im Auftrag von Kunden der Bank SARASIN AG (nachfolgend kurz „SARASIN“) die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit den Empfehlungen von Anleihen der Windreich AG und der SIC Processing AG. Die Bank SARASIN AG hatte ihren Kunden den Erwerb von Anleihen der Windreich AG empfohlen, ohne darauf hinzuweisen, dass SARASIN der Windreich AG ein Darlehen gewährt hatte, das sich nach übereinstimmenden Angaben in der öffentlichen Berichterstattung (vgl. etwa Handelsblatt vom 28.12.2012 und Handelsblatt.com vom 23.12.2012) auf mindestens 70 Mio. EUR belaufen soll. Damit befand sich SARASIN nach unserer Einschätzung in einem massiven Interessenskonflikt. Denn als Darlehensgeberin hatte SARASIN zur Vermeidung eines Kreditausfalls ihrer Darlehensnehmerin, der Windreich AG, ein erhebliches Eigeninteresse daran, dass die Anleihen platziert werden.

Unabhängig davon, ob SARASIN die Windreich-Anleihen im Rahmen einer Anlageberatung oder innerhalb eines laufenden Vermögensverwaltungsmandates ihren Kunden veräußert hat, hätte die Empfehlung zum Erwerb dieser Anleihen oder das Einbuchen dieser Wertpapiere in ein Vermögensverwaltungskontos nicht ohne eindeutigen Hinweis auf diesen Interessenskonflikt erfolgen dürfen. Dies ist das Ergebnis einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme von ROTTER RECHTSANWÄLTE.

Für Kunden, die auf diesen Interessenskonflikt nicht oder nicht ausreichend hingewiesen wurden, sehen wir deshalb eine realistische Chance, ihre Schadenersatzansprüche gegen SARASIN durchsetzen zu können. Diese Einschätzung gilt natürlich unter dem üblichen Vorbehalt der Prüfung des individuellen Einzelfalles.

Ob und inwieweit eine Bündelung der Ansprüche der verschiedenen Kunden möglich ist, wird derzeit von ROTTER RECHTSANWÄLTE geprüft.

Des Weiteren finden Sie im Schweizer Tages-Anzeiger vom 07.03.2013 und auf finews.ch weitere Artikel mit Rechtsanwalt Klaus Rotter zur Thematik SARASIN Bank AG. Den Artikel aus dem Tages-Anzeiger können Sie hier abrufen. Die Mitteilung von finews.ch finden Sie hier.

Musterverfahren in Sachen Constantin Medien AG (EM.TV Vermögensverwaltungs AG) beginnt positiv für geschädigte Anleger: Ad-hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 nach erster Einschätzung des Gerichts sogar unter mehreren Gesichtspunkten unrichtig

Am 23.11.2012 fand vor dem Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München (OLG) der erste Verhandlungstermin im Musterverfahren gegen die Constantin Medien AG (u.a.) statt (Az. 5 Kap 09).

In diesem Musterverfahren geht es um die Frage, ob die damalige EM.TV Vermögensverwaltungs AG mit ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 zum Erwerb von 50% der Anteile an der Formel 1- Holding SLEC gegen § 15 WpHG (a.F.) verstossen hat, weil die Meldung ganz oder teilweise unwahr und/oder unvollständig war.

EM.TV hatte unter anderem gemeldet, dass sie 50% der Anteile an der SLEC erwerben werde und diesen Erwerb dabei nach klägerischer Auffassung einseitig zu positiv dargestellt, insbesondere indem mögliche negative Aspekte des ad hoc gemeldeten Geschäftsabschlusses in der Meldung nicht erwähnt wurden.

Unter anderem durch den Erwerb der Formel 1 – Anteile geriet EM.TV jedoch in eine erhebliche wirtschaftliche Schieflage. Der Aktienkurs fiel im Jahr 2000 von zwischenzeitlich über 120,00 € auf deutlich unter 10 €; die Formel 1- Anteile mussten in der Folge mit erheblichen Verlusten wieder verkauft werden.

Im ersten Verhandlungstermin äußerte sich das OLG dahingehend, dass die Ad-Hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 – nach seiner vorläufigen Ansicht – wohl hinsichtlich vier Aspekten falsch sein dürfte:

  • In der Ad-Hoc-Meldung wurde der Aktienanteil des Kaufpreises mit ca. 10 Mio. Stück angegeben; tatsächlich wurden jedoch 12,58 Mio. Aktien gezahlt.
  • Darüber hinaus wurde nicht mitgeteilt, dass für weitere 25% der Anteile an der Formel 1 nicht nur eine Call-, sondern auch eine Put-Option bestand, also die EM.TV von den Anteilsinhabern kurzfristig zum Kauf weiterer 25% der Anteile zu einem bereits festgelegten Kaufpreis hätte gezwungen werden können.
  • Zur Absicherung des Kaufpreises für die Call-/Put-Option wurden die von EM.TV bereits erworbenen 50% der Anteile an der SLEC nachrangig verpfändet, was ebenfalls nicht mitgeteilt wurde.
  • Schließlich besteht nach der vorläufigen Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts die Möglichkeit, dass die in der Ad-Hoc-Mitteilung gemachten Ausführungen zu den voraussichtlichen Gewinnen aus dem Erwerb der Formel 1- Anteile und damit zum EBITDA von EM.TV zumindest irreführend sind. Die Erlöse aus der Formel 1 flossen nämlich bis einschließlich 2004 nicht der EM.TV zu, sondern waren vollständig zur Bedienung einer von der SLEC begebenen Anleihe abzuführen.

Das OLG hat einen Beweistermin für den 1. Februar 2013 angesetzt, in dem zwei Zeugen befragt werden sollen.

Rotter Rechtsanwälte vertritt in dem Musterverfahren neben dem Musterkläger fast alle Beigeladenen.

7. WIN-Treffen in Toronto/Kanada

Da institutionelle Kapitalanleger weltweit investieren, haben wir in den vergangenen Jahren das 2006 von ROTTER initiierte Anwaltsnetzwerk WIN -World Investor Lawyers Network- weiter ausgebaut. Dem Netzwerk gehört jeweils eine führende, im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei des jeweiligen Mitgliedslandes an, die ihren Fokus in der Vertre-tung der Interessen von Investoren hat.

Im Juni 2012 fand das 7. Treffen in Toronto (Kanada) statt, und zwar mit Teilnehmern aus Großbritannien, USA, Kanada, Uruguay, Belgien, Niederlande, Österreich, Deutschland.

Die Teilnehmer tauschten insbesondere rechtsvergleichend Erfahrungen aus zu folgenden Themen:

– Geplante gesetzliche Neuregelungen in den einzelnen Jurisdiktionen
– Klagemöglichkeiten europäischer Anleger in den USA nach „Morrison“
– Bündelung von Anlegerinteressen insbesondere zu Vergleichszwecken nach niederländischem Recht

Darüber hinaus wurden aktuelle Entwicklungen bei konkreten Aktionärsklagen / Schadensfällen, die von den teilnehmenden Kanzleien teilweise gemeinsam bearbeitet werden, besprochen.

OLG München verurteilt DAB Bank zu Schadensersatz für geschädigte Accessio/Driver&Bengsch-Anleger

Für Anleger, die auf Berater des insolventen Wertpapierhandelshauses Accessio, vormals Driver & Bengsch, hereingefallen sind, ist die Chance auf Schadensersatz unerwartet gestiegen.

Zwar hatte das Landgericht Itzehoe das in Accessio umbenannte Wertpapierhandelshaus bereits Ende 2009 unter anderem in zwei Fällen wegen Fehlberatung zu Schadensersatz (7 O 257/09, 137/09) verurteilt. Dass diese und weitere Anleger von Accessio Geld sehen, ist aber unwahrscheinlich, da Accessio seit Juli 2010 selbst pleite ist und Insolvenzverwalter Klaus Pannen aus Hamburg lediglich auf eine Million Euro aus einer Haftpflichtversicherung verweisen kann. Demgegenüber sollen 30 Millionen Euro stehen, die Anleger mit etwa 300 Klagen eingefordert haben.

Deshalb haben Geschädigte es auch bei der DAB-Bank versucht. Diese verwaltete mehrere Zehntausend Depots von Accessio-Kunden. In zwei Fällen verurteilte das Oberlandesgericht München die DAB-Bank nunmehr im Zusammenhang mit geschädigten Accessio-Anlegern zu Schadensersatz.

Die Richter stützen ihr Urteil darauf, dass die Dienstleistungen von DAB-Bank und Accessio rechtlich nicht zu trennen sind: „Die Zusammenarbeit zwischen Bank und Accessio AG stellt sich als Auslagerung derjenigen Aufklärungs- und Beratungsleistung dar, die – wie die Beklagte wusste – notwendigerweise der Erteilung eines Wertpapierauftrags vorgelagert war und vom Kunden erwartet wurde.“

Die DAB Bank habe konsequent für die Falschberatung der Kläger seitens der Accessio einzustehen (OLG München, Urteil vom 10. Juli 2012, 5 U 3242/11).

Geschädigte Anleger sollten angesichts laufender Verjährungsfristen dringend anwaltlich ihre Ansprüche gegen sämtliche Beteiligte prüfen lassen.

Insolvenzfall SIAG SCHAAF INDUSTRIE AG

ROTTER prüft aktuell Schadensersatzansprüche in alle denkbaren Richtungen bezüglich der am 17. Juni 2011 emittierten Inhaberschuldverschreibungen der SIAG SCHAAF INDUSTRIE AG (WKN A1KRAS/ ISIN DE000A1KRAS1).

Die SIAG hatte zur Jahresmitte 2011 versucht, eine Anleihe über € 50 Mio. am Markt zu platzieren, erzielte damit aber nur ca. € 13 Mio.

Der erwartete Erlös aus der Anleihe von ca. EUR 48 Mio. sollte nach dem Wertpapierprospekt vom 17. Juni 2011 (in dieser Reihenfolge) zur Finanzierung des Ausbaus der Geschäftstätigkeit im Bereich Offshore, zum Ausbau der internationalen Geschäftstätigkeit sowie zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur etwa durch Rückführung bestehender Bankverbindlichkeiten verwendet werden.

Nach aktuellen Presseberichten soll der Erlös aber ausschließlich zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwandt worden sein, die insbesondere gegenüber der mit 23,4 % an der SIAG beteiligten Deutschen Kreditbank AG, die auch im Aufsichtsrat der SIAG vertreten ist, bestanden haben sollen. Wir sind aktuell damit befasst, diese Presseberichte zu verifizieren und den Sachverhalt auch darüber hinaus aufzuklären.

Wir prüfen parallel, ob und ggf. welche rechtlichen Ansatzpunkte sich aus einer Bestätigung ergeben könnten. Zu denken wäre hier insbesondere an Ansprüche aus Prospekthaftung gegen die Prospektverantwortlichen (im engeren und weiteren Sinn) wegen eines möglicherweise fehlerhaften Wertpapierprospektes. Die Vermittlung der Inhaber-Schuldverschreibungen soll über die Geschäfts- und Onlinebanken erfolgt sein, so dass auch Schadensersatzansprüche wegen Vermittler- und Beraterhaftung in Betracht kommen. Die Anleihegläubiger sollten ihre Forderungen wenigstens umgehend zur Insolvenztabelle anmelden.

Musterentscheid im Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) Infomatec IIS AG rechtskräftig

Gegen den am 8. Mai 2012 vom Oberlandesgericht München in dem Musterverfahren gegen die beiden ehemaligen Vorstände der Infomatec IIS AG (Harlos und Häfele) verkündeten Musterentscheid hat keine der Parteien Rechtsbeschwerde zum BGH erhoben, so dass der Bescheid nunmehr rechtskräftig ist.

Es wurde darin u.a. festgestellt, dass die Ad-hoc-Mitteilungen der Infomatec IIS AG vom

– 29. Dezember 1998 (Schneider Cybermind Systems AG) ,
– 20. Mai 1999 (MobilCom),
– 13. September 1999 (GlobalWell.Com), und
– 16. November 1999 (WorldWideDatabase)

gegen § 15 WpHG verstossen (OLG München KAP 1/08).

In den beim Landgericht Augsburg anhängigen, wegen des Musterverfahrens ausgesetzten Ausgangsverfahren muss jetzt noch die Klärung der individuellen Kausalität der fehlerhaften Ad-hoc-Meldung(en) für die Kaufentscheidungen der von Rotter Rechtsanwälten vertretenen (rund 70) Kläger erfolgen.

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF: ZWISCHENSCHRITTE KÖNNEN INSIDERINFORMATIONEN SEIN

EuGH entscheidet Vorlagefragen im Fall Geltl ./. Daimler im Sinne der Anleger

Der EuGH (Europäischer Gerichtshof) in Luxemburg hat am heutigen 28. Juni 2012 sein Urteil in dem Vorlageverfahren gegen die Daimler AG verkündet und die vom BGH mit Beschluss vom 22. November 2010 vorgelegten Musterfragen weitgehend im Sinne des von ROTTER RECHTSANWÄLTE vertretenen Musterklägers entschieden. So befand der EuGH mit seinem heutigen Urteil, dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur dieser Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne der genannten Bestimmungen sein können, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs. Ein Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs kann nämlich selbst eine Reihe von Umständen oder ein Ereignis in dem diesen Begriffen im Allgemeinen zugeschriebenen Sinn darstellen. Diese Auslegung gilt nicht nur für Schritte, die bereits existieren oder eingetreten sind, sondern betrifft auch Schritte, bei denen man mit hinreichender Wahrschein-lichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.

Auf den Fall angewandt bedeutet dies, dass nicht erst nach dem Aufsichtsratsbeschluss am 28. Juli 2005 eine Insiderinformation vorlag, sondern bereits am 17. Mai 2005, als Prof. Schrempp gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden seine Absicht bekundete, vorzeitig aus seinem Amt auszuscheiden.

„Damit haben sich die Chancen, dass unsere institutionellen und privaten Mandanten entschädigt werden, deutlich verbessert. Denn diese haben allesamt Aktien zwischen dem 18. Mai und 28. Juli 2005 10:00 Uhr Aktien veräußert und hätten damit von dem Kurssprung, den die Mitteilung vom vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Schrempp nach sich zog, profitiert“, so Klaus Rotter und Felix Weigend, die die Anleger in den Verfahren vertreten.

Anbei die Entscheidung und die Pressemitteilung des EuGH vom 28.06.2012, Az.: C 19/11.

Urteil des EuGH im Vorlageverfahren gegen Daimler AG am 28. Juni 2012

Am kommenden Donnerstag, den 28. Juni 2012 wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil in dem Vorlageverfahren gegen die Daimler AG verkünden.

Der Generalanwalt beim EuGH hatte in seinen Schlußanträgen vom März 2012 die beiden Vorlagefragen des Bundesgerichtshofes (BGH) überwiegend im Sinne des von ROTTER RECHTSANWÄLTE vertretenen Musterklägers Markus Geltl beantwortet (Rechtssache C-19/11).

Gegenstand des seit 2005 von ROTTER RECHTSANWÄLTE für institutionelle und private Anleger geführten Musterverfahrensgegen die Daimler AG ist die Frage, ob das vorzeitige Ausscheiden des seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Jürgen Schrempp rechtzeitig per Ad-hoc-Meldung bekannt gegeben wurde. In diesem Zusammenhang hatte der BGH mit Beschluss vom 22. November 2010 dem EuGH zwei Rechtsfragen zur Auslegung insbesondere der europäischen Marktmißbrauchsrichtlinie vorgelegt:

Hinsichtlich der ersten Frage vertrat der Generalanwalt die Auffassung, dass auch sämtliche Zwischenschritte eines gestreckten Geschehensablaufs (hier: Vorbereitung und Abwicklung des vorzeitigen Ausscheidens von Prof. Schrempp) grundsätzlich eigenständige, präzise Informationen im Sinne der Richtlinie sind, die damit jeweils gesondert auf ihre Eignung als veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen zu prüfen und ggf. ad hoc zu veröffentlichen sind.

Hinsichtlich der zweiten Vorlagefrage lehnt der Generalanwalt bei der Auslegung des Begriffs der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse ein starres, z.B. an festen Prozentsätzen orientiertes Regime zur Wahrscheinlichkeitsbeurteilung als generell ungeeignet ab. Hinreichende Wahrscheinlichkeit müsse nicht überwiegende oder hohe Wahrscheinlichkeit sein. Bei hohem Kursbeeinflussungspotential genüge sogar die bloße Möglichkeit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses.

Auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung wird der BGH entscheiden, ob Daimler – wie vom Musterkläger behauptet – die Rücktrittsabsichten Prof. Schrempps deutlich zu spät veröffentlicht hat und dadurch Schadensersatzansprüche des Musterklägers und der beigeladenen weiteren Kläger begründet sind.

Der Entscheidung des EuGH dürfte weit über den aktuellen Fall hinaus erhebliche Bedeutung für alle ad-hoc-pflichtigen Unternehmen im Hinblick auf deren zukünftige Kapitalmarkt-Informationspolitik zukommen.

Erster positiver Musterbescheid für Wertpapieranleger

OLG München verkündet im Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) Infomatec IIS AG Musterentscheid weitgehend zu Gunsten geschädigter Kapitalanleger.

Am 8. Mai 2012 wurde vom Oberlandesgericht München in dem Musterverfahren gegen die beiden ehemaligen Vorstände der Infomatec IIS AG (Harlos und Häfele) der Musterentscheid verkündet.

Weit überwiegend wurde darin den Musteranträgen der von Rotter Rechtsanwälten vertretenen Musterklägerin stattgegeben. So wurde u.a. festgestellt, dass die Ad-hoc-Mitteilungen der Infomatec IIS AG vom

– 29. Dezember 1998 (Schneider Cybermind Systems AG) ,
– 20. Mai 1999 (MobilCom),
– 13. September 1999 (GlobalWell.Com), und
– 16. November 1999 (WorldWideDatabase)

gegen § 15 WpHG verstossen (OLG München KAP 1/08).

Damit waren erstmals Wertpapieranleger im Rahmen eines Musterverfahrens nach dem KapMuG, das seit 1. November 2005 in Kraft ist, erfolgreich.

Gegen die Entscheidung des OLG München ist binnen Monatsfrist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) statthaft. Insoweit ist aber zu beachten, dass der 2. Zivilsenat des BGH bereits im Jahr 2004 die Fehlerhaftigkeit von zwei der o.g. Ad-hoc-Mitteilungen festgestellt hat, nämlich derjenigen vom 20. Mai 1999 und vom 13. September 1999 (BGH II ZR 402/02, II ZR 217/93, II ZR 218/03).

Jedenfalls insoweit dürften keine Erfolgsaussichten für eine Rechtsbeschwerde bestehen.

Sobald der Musterentscheid rechtskräftig ist, wird wieder in die beim Landgericht Augsburg anhängigen, wegen des Musterverfahrens derzeit ausgesetzten Ausgangsverfahren eingetreten werden: Dort muss dann noch die – im Musterverfahren nicht mögliche – Klärung der individuellen Kausalität der fehlerhaften Ad-hoc-Meldung(en) für die Kaufentscheidungen der von Rotter Rechtsanwälten vertretenen (rund 70) Kläger erfolgen.

Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht München in Sachen Constantin Medien AG, vormals EM.TV Vermögensverwaltungs AG

Die Frage der Fehlerhaftigkeit der EM.TV- Ad hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 zum sog. Formel 1-Einstieg wird ab 21. September 2012 vor dem Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG München verhandelt werden (OLG München 5 KAP 2/09).

Die 27. Zivilkammer des LG München I hatte bereits am 12. November 2009 einen entsprechenden Vorlagebeschluss an das OLG verfasst, der von letzterem aber rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden war. Auf die Rechtsbeschwerde von Rotter Rechtsanwälten hatte der BGH klargestellt, dass die Aufhebung und Zurückverweisung nicht hätte erfolgen dürfen. Der BGH verwies die Sache an das OLG München zurück, das den Vorlagebeschluss am 2. April 2012 nach § 6 KapMuG im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Der Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren wird nun über die Vorlagefrage entscheiden:

Es ist eine Entscheidung des OLG München herbeizuführen zur beantragten Feststellung, dass die adhoc-Mitteilung vom 22.03.2000 unrichtig war und hierdurch gegen die Beklagten zu 1) und 3) Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet werden.

Der Musterkläger macht den Musterbeklagten konkret zum Vorwurf, dass sie in der Ad-hoc- Mitteilung vom 22.03.2000:

  • behauptet haben, man befände sich in unverbindlichen Gesprächen über einen Erwerb von weiteren 25% an der Formel 1- Gesellschaft („SLEC“), obwohl diesbezüglich bereits unstreitig eine rechtsverbindliche vertragliche Vereinbarung (Call-Put-Option) getroffen worden war, aus der die Beklagte zu 1) nicht mehr einseitig aussteigen konnte. Hierbei handelt es sich nicht um eine unterlassene Veröffentlichung, sondern um eine rechtswidrige Falschmeldung;

 

  • trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass dem Ecclestone´schen Familien Trust („Bambino Trust“) unstreitig bereits am 17.03.2000 verbindlich eine (von der Beklagten zu 1) im von ihr derzeit gegen die Beklagten zu 2) und 3) geführten Organhaftungsverfahren selbst als „bestandsgefährdend“ bezeichnete) Put-Option dergestalt eingeräumt worden war, dass dieser von der Beklagten zu 1) Anfang des Jahres 2001 einseitig die Abnahme von weiteren 25% an der Formel 1-Holding SLEC gegen Zahlung eines Barkaufpreises in Höhe von USD 996 Mio. erzwingen konnte, was die Beklagte zu 1) nur durch vorherige Ausübung der Call-Option abwenden konnte, die mit einer Zahlungsverpflichtung in nahezu gleicher Höhe verbunden war;

 

  • trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass die Beklagte zu 1) zur Absicherung dieser Put-Option ihre gesamte Formel 1-Beteiligung an den Bambino Trust verpfändet hatte, so dass sie die gesamte Formel 1-Beteiligung verliert, sobald sie den Barkaufpreis in Höhe von USD 996 Mio. nicht bezahlen kann;

 

  • trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass die Beklagte zu 1) liquiditätsmäßig noch für weitere vier Jahre (bis Ende 2004) wirtschaftlich über keinen Cent der aus der Formel 1-Beteiligung erzielten Gewinne würde verfügen können, da sie diese vollständig zur Bedienung einer Anleihe („Formel 1-Bond“) abzuführen hatte; sowie

 

  • trotz des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials dieser Information verschwiegen haben, dass schon die Finanzierung des Kaufpreises der ersten 50%igen Formel 1-Beteiligung ebenso wie die Finanzierbarkeit der Existenz gefährdenden Put-Option völlig ungesichert war (so die Beklagte zu 1) selbst im Organhaftungsverfahren).

All diese Informationen fehlten in der Pflichtmitteilung, wären aber nach der Rechtsauffassung des Musterklägers zwingend nach § 15 WpHG a. F. zu veröffentlichen gewesen.

Mit Beschluss vom 15. Mai 2012 wurde nach § 8 KapMuG ein von Rotter Rechtsanwälten vertretener Kläger zum Musterkläger bestimmt und Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21. September 2012 bestimmt.